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Stellungnahme von DGP und DHP zum Nachbesserungsbedarf der SAPV

Dass es Nachbesserungsbedarf in der SAPV geben würde, war sehr schnell nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2007 klar. In den letzten Jahren wurden deshalb beispielsweise die SAPV für Pflegeeinrichtungen und in stationären Hospizen nachträglich in das Gesetz eingeführt.

Echte Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern kamen nur sehr zögerlich zustande. So verwundert es nicht, dass erst mit Aufnahme der SAPV-Tätigkeit in aktiven Diensten Schwierigkeiten im Alltag auffielen, die rasch eine Verbesserung der Gesetzeslage erfordern. Hierbei sind nicht nur die eigentlichen SAPV-Paragraphen, sondern auch andere Gesetze und Verordnungen betroffen, die im Zusammenhang mit der SAPV stehen.

DGP und DHPV haben 2009 eine Stellungnahme mit den wichtigsten Änderungswünschen herausgegeben, deren Umsetzung rasch erfolgen muss, um die SAPV tatsächlich Realität werden zu lassen.

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) bei den Regelungen zur Umsetzung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) über dringend erforderliche Nachbesserungen
Für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen besteht seit dem 1. April 2007 ein Leistungsanspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass etwa 80.000-85.000 Schwerkranke und Sterbende in Deutschland pro Jahr diese Voraussetzungen erfüllen und dass für deren bedarfsgerechte Versorgung in der vertrauten Umgebung in Zukunft multiprofessionell besetzte Palliative Care Teams hinzugezogen werden sollen – insbesondere auch, um unnötige Krankenhaus-Einweisungen am Lebensende zu vermeiden. Dafür wurden im Gesetzentwurf allein für die Zeit von April 2007 bis Ende 2009 finanzielle Mittel in Höhe von 390 Mio Euro veranschlagt. Bis zum 30. Juni 2009 wurden von den Kostenträgern weniger als drei Prozent davon zur Verfügung gestellt, v.a. weil es bisher nur wenige Versorgungsverträge gibt, in denen SAPV geregelt und kostendeckend von den Krankenkassen finanziert wird. Bis heute sind bundesweit erst etwa 30 regional begrenzte Versorgungsverträge abgeschlossen worden - mit spezialisierten pädiatrischen Teams erst ein einziger Vertrag. Dass die Umsetzung eines von allen politischen Parteien unterstützten politischen Willens von der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen nur so schleppend erfolgt ist, ist ein Skandal und vor allem für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine bedrückende und traurige Tatsache. Es ist unverständlich, wenn einerseits der ambulanten Versorgung der Vorrang gegeben werden soll, andererseits aber der Aufbau der dazu notwendigen Versorgungsstrukturen unnötig erschwert wird.

In einem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags vom 7. September 2009 ist zu lesen, dass bis Ende 2009 nach Aussage des GKV-Spitzenverbands annähernd 100 Versorgungsverträge deutschlandweit abgeschlossen sein sollen. Aktuelle Informationen aus den einzelnen Bundesländern relativieren diese Zuversicht allerdings. Hinzu kommen erste Erfahrungen aus Regionen mit bereits bestehenden Versorgungsverträgen, die zeigen, dass praxisferne Regelungen den Sinn der Gesetzgebung konterkarieren und eine bedarfsgerechte Patientenversorgung erschweren. Hier muss dringend und zügig nachgesteuert werden, damit Fehlentwicklungen im großen Stil vermieden werden.
Einige der Punkte, welche sich in den ersten Monaten der SAPV-Realisierung unter Vertragsbedingungen als problematisch erwiesen haben, sind nachfolgend zusammengestellt – inklusive möglicher Lösungen:

  • Ohne adäquate Verordnungsmöglichkeiten fehlen Ärzten in Palliative Care Teams mitunter wichtige Instrumente. Der innerhalb der SAPV tätige Arzt muss in der Lage sein, auch Laboruntersuchungen, Überweisungen, Einweisungen, Transportscheine und die Verordnung häuslicher Krankenpflege ausstellen zu können, insbesondere in der Vollversorgung. Das aber ist bisher nicht möglich. Diese Einschränkungen behindern unnötigerweise die tägliche Arbeit gerade in schwierigen Situationen.
  • Die aktuell gültige Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) muss schnellstes im Sinne einer bedarfsgerechten Versorgung von Palliativpatienten durch Palliative Care Teams novelliert werden. Insbesondere muss es den Ärzten in Palliative Care Teams ermöglicht werden, eine patientenungebundene Verschreibung von BtMs vorzunehmen. In den Räumlichkeiten des Palliative Care Teams muss ein Notfalldepot für BTMs angelegt werden können.
  • Darüber hinaus benötigen Palliative Care Teams die Möglichkeit, einen eigenen Bedarf auch an weiteren Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln im Sinne eines „Sprechstundenbedarfs“ zu rezeptieren und diese nicht nur im Notfall, sondern auch für den kurzfristigen Einsatz, z.B. als Bedarfsmedikation, verwenden zu können.
  • Derzeit wird die dreifache Unterschrift der Betroffenen auf Muster 63 (SAPV-Verordnungsblatt) verlangt. Für Sterbende ist dies eine bürokratische Überforderung in einer existentiellen Grenzsituation. Ein gesetzlicher Vertreter ist in der Regel nicht vorhanden. Auf diese Unterschrift sollte verzichtet werden.
  • Bei Ablehnungen der Kostenübernahme für verordnete SAPV zeigt sich, dass offensichtlich keine einheitlichen Bewertungskriterien auf Kassenseite bzw. beim MDK existieren und die in der SAPV-Richtlinie genannten Kriterien für den Anspruch auf SAPV offenbar nicht ausreichen. Hier müssen dringend nachvollziehbare Entscheidungskriterien entwickelt und willkürlichen Entscheidungen Einhalt geboten werden.
  • Zu Unrecht verschickte Ablehnungen der Kostenübernahme haben bei Patienten und Angehörigen wiederholt zu erheblichen Erschütterungen geführt. Um zu verhindern, dass zusätzliches menschliches Leid durch eine undurchschaubare Bürokratie ausgelöst wird, darf die Ablehnung der Kostenübernahme nicht ohne vorherige Rücksprache mit dem Palliative Care Team an die Betroffenen geschickt werden.

Im Übrigen erweisen sich die erheblichen Lücken in der allgemeinen Palliativversorgung als Hindernis für den Aufbau einer effizienten und effektiven SAPV. DGP und DHPV appellieren deshalb an die Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, nicht nur so schnell wie möglich die Voraussetzungen für eine wirklich bedarfsgerechte SAPV zu schaffen, sondern auch die Strukturen in der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung so zu stärken, dass sich im Zusammenspiel von SAPV und AAPV ein für Patienten und Angehörige tragfähiges Netz entwickeln kann. (4.11.2009)

Weiterer Nachbesserungsbedarf
Neben den von DGP und DHPV genannten Punkten sind noch viele weitere Punkte verbesserungswürdig, zum Beispiel:

  • Um eine flächendeckende Versorgung mit SAPV sicherzustellen, bedarf es der Anschubfinanzierung der SAPV gerade in den Regionen, die noch nicht über bestehende Strukturen verfügen oder bei denen die bestehenden Strukturen zusätzlichen Finanzierungsbedarf haben.
  • Um die SAPV zu entwickeln und langfristig als Leistung anbieten zu können, müssen die Palliative-Care-Teams als Leistungserbringer der SAPV die Möglichkeit zur Ausbildung von Mitarbeitern erhalten, ohne dass damit die Qualifikationskriterien der Dienste (100 % voll ausgebildete Kräfte) verletzt werden.
  • Die Kooperation mit Apotheken im Rahmen der SAPV muss analog den i.v.-Verträgen neu als Regelung in das AMG aufgenommen werden.