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PalliativStiftung schlägt weiter reichende gesetzliche Regelungen zur Hospizarbeit und Palliativversorgung vor

Die Deutsche PalliativStiftung begrüßt ausdrücklich den gestern vorgelegten Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums für ein Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung. Allerdings sind die beabsichtigten Änderungen mit Ausnahme der palliativpflegerischen Leistungen nicht weitreichend genug: sie schlägt 4 Regelungen vor, deren Einführung als Kernelemente der AAPV erforderlich ist.

Mit der Einführung des leistungsrechtlichen Anspruchs auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) für alle gesetzlich Krankenversicherten hat sich gezeigt, dass sowohl der Übergang aus der „hausärztlichen Regelversorgung“ wie auch die hausärztlichen Aufgaben in der Versorgung einer allgemein gültigen Strukturierung unter Einbeziehung von Palliativpflege bedürfen.

Des Weiteren liegen inzwischen langjährige und erfolgreiche Entwicklungen regionaler Palliativ- und Hospiznetzwerke bspw. in Nordrhein oder Bayern vor, die aufzeigen, wie eine abgestufte Palliativversorgung unter Einbeziehung der Hospizarbeit auf regionaler Ebene gelingen kann.

Die dort gewonnenen Erkenntnisse sollen im Interesse der Versicherten nun durch die Selbstverwaltungsorgane mittels gesetzlicher Vorgaben im SGB V in angemessener Zügigkeit in andere Bundesländer transferiert werden, um flächendeckend und bundesweit allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stehen, die solche Versorgungen benötigen.

Deshalb schlägt die Deutsche PalliativStiftung u. a. folgende vier Punkte vor, die im Rahmen des Hospiz- und Palliativgesetztes im SGB V aufgenommen werden sollen:

  1. Einführung von spezifischen Leistungen der Palliativpflege in die  Hauskrankenpflege (§37 (1) SGB V)
  2. Einführung des Begriffes der „Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung“ (AAPV) als § 37c im SGB V zur Vorgabe einer koordinierten, vernetzten Palliativversorgung, insbesondere auch abgrenzbar von der SAPV und überleitend zu dieser Leistung, zudem
  3. Etablierung regionaler Palliativ- und Hospiznetzwerke im § 37c SGB V
  4. Unterstützung der hausärztlichen Versorgung durch barrierefreien Zugang zu palliativmedizinisch qualifizierten Konsiliardiensten im § 73 SGB V

Eine ausführliche Erläuterung entnehmen Sie bitte der beigefügten Anlage.

Vorschlag der Deutschen PalliativStiftung zur Regelung der Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) im Sozialgesetzbuch V (SGB V) im Rahmen des 2015 geplanten Hospiz- und Palliativgesetzes

Die Deutsche PalliativStiftung setzt sich für eine fundierte Aufklärung ein. Sie bietet vielfältige Informationen zur Hospizarbeit und Palliativversorgung.

Vorschlag der Deutschen PalliativStiftung
zur Regelung der
Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV)
im Sozialgesetzbuch V (SGB V)
im Rahmen des 2015 geplanten Hospiz- und Palliativgesetzes

I. Problemdarstellung und Vorschläge zur Problemlösung

Mit der Einführung des leistungsrechtlichen Anspruchs auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) für alle gesetzlich Krankenversicherten hat sich gezeigt, dass sowohl der Übergang aus der „hausärztlichen Regelversorgung“ wie auch die hausärztlichen Aufgaben in der Versorgung einer allgemein gültigen Strukturierung unter Einbeziehung von Palliativpflege bedürfen.

Des Weiteren liegen inzwischen langjährige und erfolgreiche Entwicklungen regionaler Palliativ- und Hospiznetzwerke bspw. in Nordrhein oder Bayern vor, die aufzeigen, wie eine abgestufte Palliativversorgung unter Einbeziehung der Hospizarbeit auf regionaler Ebene gelingen kann.

Die dort gewonnenen Erkenntnisse sollen im Interesse der Versicherten nun durch die Selbstverwaltungsorgane mittels gesetzlicher Vorgaben im SGB V in angemessener Zügigkeit in andere Bundesländer transferiert werden, um flächendeckend und bundesweit allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stehen, die solche Versorgungen benötigen.
Deshalb schlägt die Deutsche PalliativStiftung vor, Folgendes in das SGB V aufzunehmen:

Vorschlag (1): Einführung von spezifischen Leistungen der Palliativpflege in die HKP
Vorschlag (2): Einführung des Begriffes der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) unter § 37c zur Vorgabe einer koordinierten, vernetzten Palliativversorgung, insbesondere auch abgrenzbar von der SAPV und überleitend zu dieser Leistung
Vorschlag (3): Etablierung regionaler Palliativ- und Hospiznetzwerke
Vorschlag (4): Unterstützung der hausärztlichen Versorgung durch barrierefreien Zugang zu palliativmedizinisch qualifizierten Konsiliardiensten

II. Einleitung

Am 12. November 2003 wurde die Empfehlung (2003) 24 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten zur Strukturierung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung durch das Ministerkomitee bei der 860sten Versammlung der Ständigen Vertreter der Außenminister verabschiedet.

Diese Empfehlung war unter anderem die Basis für die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung im SGB V im Jahr 2007 in Deutschland. Damit wurde ein die Regelversorgung ergänzender Leistungsanspruch gesetzlich Krankenversicherter auf Leistungen der Palliativversorgung festgeschrieben mit dem Ziel, die Lebensqualität und die Selbstbestimmung schwerstkranker Menschen zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer häuslichen Umgebung und an anderen Orten zu ermöglichen. Versorgungsunsicherheiten, die zu unnötigen und die Versicherten stark belastenden Krankenhauseinweisungen führen, sollen vermieden werden. Symptome und Leiden sollen einzelfallgerecht, gemäß dem Willen des Versicherten und gemäß den Grundsätzen von Palliative Care1 gelindert oder behoben werden.

Nicht zuletzt durch die Erfahrungen mit der SAPV-Praxis in den letzten Jahren ist offensichtlich geworden, dass es notwendig ist, neben der SAPV auch die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) gesetzlich zu konkretisieren und die bestehenden Versorgungsstrukturen zu einem vernetzten Leistungsgeschehen auszugestalten.

Um die allgemeine ambulante Palliativversorgung im SGB V angemessen zu verorten, bedarf es aus Sicht der Deutschen PalliativStiftung folgender Anpassungen im SGB V:

III. Vorschläge zur gesetzlichen Regelung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung

2.1 Einführung von spezifische Leistungen der Palliativpflege in die HKP

Vorschlag (1): Die Deutsche PalliativStiftung schlägt vor, den § 37 Häusliche Krankenpflege Absatz (1) Satz 3 um die Worte „spezifische Leistungen der Palliativpflege“ zu ergänzen, um die Leistungen der Palliativpflege als definierte Leistungen der Hauskrankenpflege auszuweisen.

§ 37 Häusliche Krankenpflege
(1) […] 3Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege, spezifische Leistungen der Palliativpflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. […]

Begründung zu dieser Änderung bei der ambulanten Palliativpflege
Leistungen der ambulanten Palliativpflege sollen in die häusliche Krankenpflege aufgenommen werden, damit der G-BA die Aufgabe erhält, die HKP-Richtlinie um die Spezifika der Palliativpflege zu erweitern. Hierfür könnten die bestehenden Regelungen in Nordrhein als Vorbild für die HKP-Richtlinie gelten. Insofern sollten diese aus Sicht der Deutschen PalliativStiftung auch dem G-BA durch den Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung als richtungsweisend vorgegeben werden. Zusätzlich sollte auch die Vorgabe kommen, dass Leistungserbringer der ambulanten Palliativpflege sich an der regionalen Koordinations- und Netzwerkarbeit beteiligen, was sich dann konsekutiv auch in der Vergütung der erbrachten Leistungen abzubilden hat.

2.2 Einführung der „Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung“ (AAPV) als § 37c SGB V

Vorschlag (2):    Die Deutsche PalliativStiftung schlägt vor, den Begriff „Allgemeine ambulante Palliativversorgung“ (kurz AAPV) zur Vorgabe einer koordinierten, vernetzten Palliativversorgung, insbesondere auch abgrenzbar von der SAPV und überleitend zu dieser Leistung, in das SGB V einzuführen.
Hierzu soll nach § 37b Spezialisierte ambulante Palliativversorgung der folgende § 37c Allgemeine ambulante Palliativversorgung in das SGB V eingefügt werden.

Vorschlag (3):    Die Deutsche PalliativStiftung schlägt vor, regionale Palliativ- und Hospiznetzwerke mit eigenständigen Koordinierungsstellen als Grundlage regionaler Hospiz- und Palliativversorgung gesetzlich zu verankern.

§ 37c Allgemeine ambulante Palliativversorgung
(1) 1Versicherte mit einer nicht heilbaren Erkrankung haben im Rahmen der haus- und fachärztlichen Versorgung Anspruch auf eine bedarfsgerechte allgemeine ambulante Palliativversorgung einschließlich deren Koordination, sofern eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung noch nicht angezeigt ist. 2Diese Leistung ist in der Regel unter Einbeziehung eines geeigneten Pflegedienstes durch Verordnung von spezifischen Leistungen der Häuslichen Krankenpflege an den unter § 37 Absatz (2) SGB V aufgezählten Orten zu erbringen. 3Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen oder Hospizen haben einen Anspruch auf hausärztliche Leistungen im Sinne von Satz 1, die palliativpflegerischen Leistungsvorgaben sind für stationäre Pflegeeinrichtungen gesondert festzulegen. 4Die besonderen Belange von Kindern sind zu berücksichtigen.

(2) 1Für Leistungserbringer der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung ist die Mitarbeit in regionalen Palliativnetzen als Teil der Koordination obligatorisch. 2Träger von Koordinierungsstellen als Basis der regionalen Palliativnetze können kommunale Gebietskörperschaften oder andere geeignete Einrichtungen sein. 3Struktur, Verortung und finanzielle Ausstattung der Koordinierungsstellen sind nicht Gegenstand dieses Gesetzes, sondern im jeweiligen Bundesland zu regeln. 4Die gewachsenen Strukturen sind zu berücksichtigen.

Begründung zu dieser Änderung

a) Einführung eines § 37c in das SGB V

Absatz (1) Leistungsanspruch auf allgemeine ambulante Palliativversorgung

Nachdem der EU-Ministerrat 2003 von einer Dreistufigkeit der palliativmedizinischen Leistungserbringung sprach (Palliativmedizinischer Ansatz; Allgemeine Palliativversorgung; Spezialisierte Palliativversorgung) und die letzten Jahre gezeigt haben, dass die allgemeine ambulante Palliativversorgung in Deutschland nicht in dem Maße zur Verfügung steht, wie dies 2007 unterstellt wurde, bedarf es zusätzlich zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung nach § 37b SGB V auch der gesetzlichen Regelung einer allgemeinen ambulanten Palliativversorgung, wie dies hier durch Einführung eines § 37c SGB V vorgeschlagen wird. Damit würde die Selbstverwaltung den Ausgleich des bestehenden Defizits in der Versorgung flächendeckend und damit bundesweit regeln müssen.

Dabei ist sicherzustellen, dass die jeweiligen Versorgungsorte, an denen diese Leistung erbracht werden kann, explizit benannt sind. Dies wird durch den Bezug zu § 37 Absatz 2 sichergestellt, da dort bereits die Orte benannt sind, an denen häusliche Krankenpflege erfolgen kann.

Stationäre Pflegeeinrichtungen und stationäre Hospize erhalten zusätzlich zu den stationär erbrachten pflegerischen Leistungen ärztliche Teilleistungen der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung, um auch den dort lebenden Menschen palliativmedizinisch gerecht werden zu können. Alleine Krankenhäuser scheiden somit für die Leistungserbringung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung aus.

Weitere erforderliche Vorgaben sind ggf. für stationäre Pflegeeinrichtungen, stationäre Hospize und Krankenhäuser gesondert für die allgemeine Palliativversorgung an den jeweiligen Stellen auszuweisen. So wäre es wünschenswert, wenn in stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeiten palliativer Pflege gefördert werden würden.

Absatz (2) Regionale Palliativnetzwerke und Koordinationsstellen

Bis dato nicht geregelt ist die in der Palliativversorgung unverzichtbare systemseitige Netzwerkkoordination, während die Frage der patientenbezogenen Koordination bereits an unterschiedlichen Stellen im Sozialgesetzbuch aufscheint. Ohne systemseitige Koordination – auch im Sinne eines Case und Care Managements – verbleibt sowohl die allgemeine als auch spezialisierte ambulante Palliativversorgung bruchstückhaft im Gesamtsystem der sektorenübergreifenden Versorgung verortet. Hier bedarf es aus Sicht der Deutsche PalliativStiftung im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung einer Festschreibung, die jedoch den Konsens von Bundesländern und kommunalen Gebietskörperschaften benötigen dürfte.

2.3 Unterstützung der hausärztlichen Versorgung durch barrierefreien Zugang zu palliativmedizinisch qualifizierten Konsiliardiensten

Vorschlag (4): Die Deutsche PalliativStiftung schlägt vor, den § 73 Kassenärztliche Versorgung Absatz (1) um einen fünften Spiegelstrich zu erweitern, um die hausärztliche Versorgung durch barrierefreien Zugang zu palliativmedizinisch qualifizierten Konsiliardiensten zu unterstützen und zu entlasten.

§ 73 Kassenärztliche Versorgung
(1) […]
5. die durch ambulante Konsiliardienste unterstützte Palliativversorgung unter den Versorgungsbedingungen in der Häuslichkeit einschließlich der Veranlassung erforderlicher Leistungen der Palliativpflege und Beteiligung an der Koordinierung der ambulanten Palliativversorgung inklusive Übergängen zur SAPV.
[…]

Begründung zu dieser Änderung
Es erscheint explizit notwendig, die hausärztliche Palliativversorgung selbst als Teil der kassenärztlichen Versorgung auszuweisen und durch Konsiliardienste unter den Bedingungen der Versorgung in der Häuslichkeit einschließlich der Veranlassung erforderlicher Leistungen der Palliativpflege und Beteiligung an der Koordinierung der ambulanten Palliativversorgung inklusive Übergang zur SAPV zu unterstützen und zu entlasten.

Diese Vorgabe unter § 73 SGB V als neue Ziffer 5. soll dazu führen, dass die zuständigen Stellen (GKV-SV und KBV) die bestehenden GOP im EBM auf Vollständigkeit des o.a. Leistungsinhaltes zu prüfen und ggf. nachzubessern haben. An dieser Stelle muss dann auch die Zusammenarbeit mit weiteren Leistungserbringern der Palliativversorgung wie einem Palliative-Care-Team ausgewiesen werden. Zudem wären die zuständigen Stellen gezwungen, einen Konsiliardienst mit qualifizierten Hausärzten, welche die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin besitzen (qualifizierter Palliativarzt, QPA), analog zu den Rufbereitschaftsregelungen in Nordrhein in allen Bundesländern zu ermöglichen. Das wird vonseiten der Deutschen PalliativStiftung insofern als sachgerecht angesehen, als es qualifizierte Hausärzte gibt, die regelhaft in der Heimversorgung engagiert sind und von daher vermehrt Praxiserfahrung mit Sterbenden haben, während andere Hausärzte im Jahr sehr wenige Sterbebegleitungen haben und deswegen weniger Erfahrung aufweisen.
Die berufsrechtliche Verpflichtung zur laufenden Fortbildung wird unter der Prämisse, dass palliativmedizinische Inhalte regelmäßig und intensiver als bisher fortgebildet werden, für Hausärzte, die nicht am Konsiliardienst teilnehmen, für ausreichend erachtet.

IV. Ergänzende Bemerkungen

Der Vorschlag der Deutschen PalliativStiftung, die allgemeine ambulante Palliativversorgung durch den Gesetzgeber beraten und beschließen zu lassen, erfordert zuallererst eine nachvollziehbare Begründung durch allgemeine und spezifische Argumente für jedes einzelne Leistungselement, welches in die Versorgung auf Basis des SGB V eingeführt werden soll.

Dies ist notwendig, weil eine gesetzliche Festlegung der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung zunächst als nicht erforderlich angesehen werden könnte. Eine solche Haltung könnte darin begründet sein, dass der Deutsche Bundestag mit der Einführung der SAPV im Jahr 2007 zunächst richtig gehandelt hatte und den Empfehlungen des EU-Ministerratskomitees von 2003 ausreichend gefolgt war. Diese Empfehlungen haben bekanntlich die „Strukturierung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung2 zum Ziel.
Dabei ist bemerkenswert, dass der Ministerrat im Jahr 2003 grundsätzlich von einer Dreistufigkeit in der Versorgung von Palliativpatienten ausgegangen ist (siehe Punkt 53. der o.g. Empfehlung)3:

Neben einem palliativmedizinischen Ansatz, dank dem alle im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte mit den grundlegenden palliativmedizinischen Prinzipien vertraut sein sollten und diese angemessen in die Praxis umsetzen können, ist als

allgemeine Palliativversorgung anerkannt, dass einige im Gesundheitswesen tätige Fachkräfte, obwohl sie nicht ausschließlich im palliativmedizinischen Bereich arbeiten, Fortbildungen absolviert und Kenntnisse in diesem Bereich haben. Der Ausdruck „allgemeine Palliativversorgung“ wird zur Bezeichnung der Tätigkeit dieses Personals verwendet.

Die spezialisierte Palliativversorgung bezeichnet solche Dienste, deren Haupttätigkeit in der Bereitstellung von Palliativversorgung besteht. Diese Dienste betreuen in der Regel ein Patientengut mit komplexen und schwierigen Bedürfnissen und benötigen daher ein höheres Maß an Ausbildung, Personal und anderen Ressourcen.

Der Bundesgesetzgeber hat dies dem Grundsatz nach aufgenommen und 2007 die Organisation der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung durch Palliative-Care-Teams (PCT) in der Gesetzesbegründung mehrfach betont. Dies ist allerdings noch nicht in allen Bundesländern so umgesetzt worden.

2007 nicht ins Gesetz aufgenommen wurde jedoch die Strukturierung der allgemeinen palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung, weil hier davon ausgegangen wurde, dass diese durch die Regelversorgung und im Rahmen der dort bereits geregelten Fortbildungsverpflichtung voll umfänglich realisiert sei und es deswegen keiner weiteren gesetzlichen Regelung bedürfe.

Dies hat der Bundesgesetzgeber 2007 in seiner Gesetzesbegründung zur SAPV klar formuliert: Versicherte, die den besonderen Bedarf an SAPV nicht aufweisen, werden weiter im Rahmen der derzeitigen Strukturen versorgt4. Sollten Lücken zwischen der SAPV und den bestehenden Strukturen identifiziert werden, muss zunächst analysiert werden, ob dies an Mängeln der bestehenden Strukturen oder der im jeweiligen Bundesland betriebenen Umsetzung der SAPV in Relation zur Regelversorgung liegt, um dann Abhilfe innerhalb der bestehenden Regelungen zu schaffen. Auf alle Fälle vom Gesetzgeber klargestellt wurde, dass die SAPV stets dann verfügbar sein muss, wenn die bestehenden Strukturen ihre Grenzen erreichen.

Die gegenwärtige Vielfalt in der Praxis der allgemeinen wie spezialisierten Palliativversorgung zeigt auf, dass nach Einführung der SAPV im Jahr 2007 auch weiterhin keine zielgerichtete, bundesweite Ausgestaltung der Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung und keine reibungsarme Organisation der Übergänge der Regelversorgung zur SAPV durch die auf Bundesebene verantwortlichen Zuständigen auf Seiten von Kostenträgern wie Leistungserbringern erfolgt sind, obwohl dies erklärtes Ziel der Einführung der SAPV war5.

Um diesen offensichtlichen Missstand zu beseitigen und um die ambulante Palliativversorgung im Interesse der Versicherten weiterzuentwickeln, empfiehlt die Deutsche PalliativStiftung die Vornahme einiger gesetzlicher Anpassungen als Teil des anvisierten Hospiz- und Palliativgesetzes. Damit würde die Versorgung Schwerkranker und Sterbender verbessert und der Selbstverwaltung die Möglichkeit gegeben, die bestehende Versorgung zu verbessern.

Definitionsschwierigkeiten für ergänzende gesetzliche Regelungen zur Allgemeinen ambulante Palliativversorgung (AAPV)

Die o. a. Empfehlungen des EU-Ministerratskomitees von 2003 haben bezüglich der AAPV unter Ziffer 53. in unmissverständlicher Klarheit dargelegt, dass unter der Vorstellung einer verfügbaren Allgemeinen Palliativversorgung

„einige im Gesundheitswesen tätige Fachkräfte, obwohl sie nicht ausschließlich im palliativmedizinischen Bereich arbeiten, Fortbildungen absolviert und Kenntnisse in diesem Bereich haben“.

Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass dies der in Deutschland bestehenden berufsrechtlichen Verpflichtung, sich berufsbegleitend fortzubilden, entsprechen würde. Genau genommen wird aus Sicht der Deutschen PalliativStiftung jedoch mit der bestehenden allgemeinen Fortbildungsverpflichtung nur der grundsätzlichen Forderung in Ziffer 53., alle im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte – somit auch die Ärzte – sollten mit grundlegenden palliativmedizinischen Prinzipien vertraut sein und diese in der Praxis umsetzen können, bereits Genüge getan. Inwieweit eine darüber hinaus gehende und besondere zu fordernde Qualifikation für die allgemeine Palliativversorgung durch Hausärzte gefordert werden darf, ist aus den Empfehlungen alleine nicht zwingend abzuleiten, jedoch innerhalb der Fachkreise in intensiver und kontroverser Diskussion6.

U.a. aus der Wahrnehmung dieses bereits beschriebenen Defizits heraus haben die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) mit den aus ihrer Sicht nachvollziehbaren guten Gründen eine Eigendefinition der AAPV, wie sie im Arbeitspapier mit Stand 23.04.20137 ausformuliert ist, vorgenommen. Diese wird als wegbereitend für den hier gemachten Vorschlag für gesetzliche Regelungen der Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung angesehen. Allerdings ging die Vision dieses verbandlichen Arbeitspapiers von der Entwicklung in Nordrhein aus, die u.a. sowohl durch erhebliches ehrenamtliches Engagement und den Zeitverlauf von Jahren geprägt war als auch eine erhebliche Unterstützung durch die Landesregierung und Krankenkasse erfuhr, was durch ein Bundesgesetz nicht ohne Weiteres auf die anderen Bundesländer übertragbar erscheint. 

V. Anlagen

Anlage 18: Empfehlung Rec (2003) 24 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten zur Strukturierung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung

Ausschnitt aus dem Kapitel Definitionen und leitende Prinzipien, Unterkapitel Prinzipien der Palliativmedizin

53. Palliativmedizin ist die angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit einer aktiven, progressiven und fortgeschrittenen Erkrankung und mit einer begrenzten Lebenserwartung; der Schwerpunkt der Versorgung liegt dabei auf der Lebensqualität. Palliativmedizin beinhaltet die Einbeziehung der Bedürfnisse der Angehörigen vor und nach dem Tod des Patienten.
    Der palliativmedizinische Ansatz. Alle im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte sollten mit den grundlegenden palliativmedizinischen Prinzipien vertraut sein und diese angemessen in die Praxis umsetzen können.
    Allgemeine Palliativversorgung. Es ist anerkannt, dass einige im Gesundheitswesen tätige Fachkräfte, obwohl sie nicht ausschließlich im palliativmedizinischen Bereich arbeiten, Fortbildungen absolviert und Kenntnisse in diesem Bereich haben. Der Ausdruck „allgemeine Palliativversorgung“ wird zur Bezeichnung der Tätigkeit dieses Personals verwendet.
    Spezialisierte Palliativversorgung. Spezialisierte Palliativversorgung bezeichnet solche Dienste, deren Haupttätigkeit in der Bereitstellung von Palliativversorgung besteht. Diese Dienste betreuen in der Regel ein Patientengut mit komplexen und schwierigen Bedürfnissen und benötigen daher ein höheres Maß an Ausbildung, Personal und anderen Ressourcen.

Ausschnitt aus dem Kapitel Versorgungsformen und Einrichtungen, Unterkapitel Einrichtungen

71.     Nützlicherweise unterscheidet man zwischen nicht-spezialisierten und spezialisierten palliativmedizinischen Einrichtungen. Nicht-spezialisierte oder konventionelle Dienste bieten die palliative Versorgung nicht als Hauptleistung. Dazu zählen die Bezirkspflegedienste, Hausärzte, ambulante Pflegedienste, Allgemeinstationen in Krankenhäusern und Pflegeheime.

72.     Der Großteil der Palliativversorgung wird wohl auch in Zukunft von nicht-spezialisierten Diensten geleistet werden. In vielen Fällen bieten nicht-spezialisierte Fachkräfte diese Versorgung ohne Beteiligung von Spezialisten; in vielen anderen Fällen ist im Rahmen einer nicht-spezialisierten Betreuung die Intervention von spezialisierten Fachkräften erforderlich, und in einer kleinen Anzahl von Fällen muss die Betreuung gänzlich von Spezialisten übernommen werden.

73.     Nicht-spezialisierte Betreuung schließt auch Behandlungen mit ein, die nur ab und an beigezogen werden, z.B. in radiologischen und Strahlentherapieabteilungen und der Chirurgie. Bei solchen Dienstleistungen gibt es manchmal Wartelisten, die sich bei Palliativpatienten besonders nachteilig auswirken können, und zwar aufgrund ihrer kurzen verbleibenden Lebenszeit, in der sie noch Nutzen aus diesen Behandlungen ziehen können. Daher wurde das Konzept einer „palliativen Busspur” vorgeschlagen, die Palliativpatienten bevorzugten Zugang ermöglicht.

74.     Auf Intensivstationen hat das Konzept der Palliativmedizin in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit erhalten.

75.     Nicht-spezialisierte Kräfte können sich zwar ausreichende Erfahrungen für relativ unkomplizierte Fälle palliativmedizinischer Versorgung aneignen, aufgrund der beschränkten Anzahl der von ihnen behandelten Palliativpatienten (in den Niederlanden, zum Beispiel, haben Hausärzte im Durchschnitt 2-6 Palliativpatienten im Jahr) ist es ihnen jedoch nicht möglich, Erfahrungen mit einer komplexeren palliativmedizinischen Versorgung zu machen. Experimente mit leicht erreichbaren Beratungsstellen haben gute Unterstützungsmöglichkeiten für nicht-spezialisierte Fachkräfte aufgezeigt, sodass der Patient weiterhin in ihrer Behandlung bleibt.

76.     Spezialisierte Angebote bezeichnen Dienste, die ausschließlich auf palliativmedizinische Versorgung ausgerichtet sind, und deren Teams speziell in diesem Gebiet ausgebildet sind. Solche Dienste ersetzen nicht die Betreuung der an vorderster Front stehenden Fachkräfte (ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser oder Rehabilitationseinrichtungen), sie können jedoch je nach den bestehenden Bedürfnissen und der Komplexität der Umstände deren Versorgungsleistungen unterstützen und ergänzen. Der Patient muss überall die Möglichkeit haben, diese Dienstleistungen bei Bedarf zu jeder Zeit und ohne Verzögerung in Anspruch nehmen zu können.

77.     Die am weitesten verbreiteten Dienste sind spezialisierte stationäre Einrichtungen (Palliativstationen, stationäre Hospize), Palliativteams in Krankenhäusern, ambulante Palliativdienste, Tageshospize, das „Krankenhausbett zu Hause“ und Klinikambulanzen.

78.     Es gibt sehr wenig gesicherte Informationen darüber, welche Art palliativmedizinischer Dienste von Patienten bevorzugt wird. In einem Bericht stellten Wilkinson et al. einen Trend zur größeren Zufriedenheit mit den spezialisierten Leistungen im stationären und ambulanten Sektor fest (Wilkinson et al. 1999) als mit der Versorgung in Allgemeinkrankenhäusern. Diese Resultate sollten jedoch wiederum vorsichtig interpretiert werden.

79.     Nicht-spezialisierte Dienste sind u.a. folgende:

  • informelle Helfer;
  • Ehrenamtliche;
  • Bezirkskrankenschwestern und -pfleger;
  • Hausärzte;
  • ambulante Pflegedienste.

80.     Unter spezialisierten palliativmedizinischen Einrichtungen verstehen wir Dienste, bei denen die Palliativversorgung die Haupttätigkeit bildet. Es wird dabei vom ausgebildeten Personal ein höheres Niveau an Fachkenntnis und ein hoher Personal:Patienten-Schlüssel verlangt. Diese Art von Leistungen sollten in allen Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stehen und den Patienten unabhängig davon, wo sie sich befinden, unterstützen: Zuhause, im Krankenhaus, im Altenheim, im Pflegeheim, in Tageshospizen/-einrichtungen, in Klinikambulanzen und auf Palliativstationen. Spezialisierte palliativmedizinische Dienste spielen außerdem eine wichtige Rolle für andere Fachkräfte im Gesundheitswesen, indem sie sie bei der Palliativversorgung im stationären und ambulanten Sektor unterstützen. Alle Ärzte, Pflegende und andere involvierte Fachkräfte sollten bei Bedarf Zugang zu Rat und Unterstützung von palliativmedizinisch ausgebildeten Fachkräften haben.

81.     Die Hauptcharakteristika spezialisierter palliativmedizinischer Einrichtungen wurden vom britischen National Council for Hospice and Specialist Palliative Care Services beschrieben und vom National Advisory Committee on Palliative Care in Irland befürwortet. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Bereitstellung von physischer, psychologischer, sozialer und spiritueller Unterstützung mithilfe von zusammengeführten Kenntnissen, die anhand multiprofessioneller, vernetzter Teamarbeit umgesetzt werden.
  • Zumindest die Führungsperson jeder Gruppe von Fachkräften innerhalb des multiprofessionellen Teams sollte ein ausgebildeter und anerkannter Palliativspezialist sein;
  • Patienten und deren Angehörige werden unterstützt und in die Versorgungsplanung mit einbezogen;
  • Patienten werden ermutigt, ihre Präferenzen in Bezug darauf zu äußern, wo sie versorgt und wo sie sterben möchten;
  • Pflegende und Angehörige werden während der Zeit der Erkrankung bis in die Zeit der Trauer unterstützt, wobei die Bedürfnisse der Trauernden erkannt und berücksichtigt werden;
  • Es findet Kooperation und Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Primärversorgung sowie den stationären und ambulanten Diensten statt, sodass Patienten Unterstützung erhalten, wo auch immer sie sich befinden;
  • Der Beitrag von Ehrenamtlichen wird anerkannt und wertgeschätzt;
  • Die Einrichtung spielt entweder indirekt oder direkt eine anerkannte Rolle im Rahmen externer Weiterbildung sowie interner berufsbegleitender Fortbildungen;
  • Für die angebotene Aus-, Fort- und Weiterbildung werden Standards festgesetzt;
  • Es gibt etablierte Programme zur Qualitätssicherung, die ständig zur Überwachung der Praxis angewendet werden;
  • Es gibt klinische Audits und Untersuchungen zur Evaluierung von Behandlungen und Ergebnissen;
  • Es gibt Unterstützungsangebote für das Personal, die den Bedürfnissen des spezialisierten Personals angemessen sind, das in Voll- oder Teilzeit im palliativmedizinischen Bereich beschäftigt ist.

1   Unter Palliative Care wird der international anerkannte englische Oberbegriff für Palliativversorgung verstanden; dieser ist umfassender als es das deutsche Wort „Versorgung“ suggeriert.

2 Council of Europe (12.11.2003): Empfehlung Rec (2003) 24 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten zur Strukturierung der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung. Verabschiedet durch das Ministerkomitee am 12. November 2003 bei der 860sten Versammlung der Ständigen Vertreter der Außenminister, S. 87.

3 Ebenda: Der genaue Wortlaut ist der Empfehlung selbst zu entnehmen. Eine genauere Differenzierung dieser Dreistufigkeit mit dem Unterschied von nicht-spezialisierten und spezialisierten Einrichtungen findet sich ab Ziffer 71 ff.

4 Bundesministerium für Gesundheit (Hg.) (2006): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKVWettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG). Referentenentwurf. Berlin, S. 276, S. 370 f.

5 ebenda, S. 238

6 So werden bspw. vonseiten der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin Anstrengungen unternommen, palliativmedizinische Inhalte systematisch zu lehren.

7 Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin; Deutscher Hospiz- und Palliativverband (Hg.) (2013): Arbeitspapier zur allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) - Stand 23.04.2013. Berlin. Online verfügbar unterhttp://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/20130422_Arbeitspapier_DGP_DHPV.pdf.

8 Council of Europe 12.11.2003 #589